Farewell

Susa



Die letzten Blätter, die an Büschen hängen,
Zerrauft ein Wind mit monotonem Wort,
Die Sterne stehen kalt am Himmel dort,
Und vor mir liegt ein Weg von Meileslängen.

Doch kann mich Kampf und Kälte nicht bedrängen;
Auf toten Blättern schreit ich heiter fort,
Obschon sehr fern der heimatliche Ort
Und kalt herab die Silberlampen hängen.

Denn übervoll bin ich der Freundlichkeit,
Die heut in kleiner Hütte zu mir kam,
Von Miltons Klage, Lycidas geweiht,

Als Schicksalshärte diesen Freund ihm nahm;
Von Laura, die Petrarca so entzückte,
Daß ihn die Krone aller Kronen schmückte.
(John Keats)

Ich möchte euch von Susa erzählen

Aber ich kann die Worte nicht finden, sie zu beschreiben. 
Mein Herz ist gleichzeitig voll und ganz leer und ich finde einfach die Worte nicht. Für nichts von dem, was ich seit Tagen denke, was ich an sie denke, kann ich die Worte finden. Hallo Astrid, gestern ist Susa gestorben. Als diese Nachricht kam, traf sie mich mitten ins Herz. 

Ich möchte euch von Susa erzählen. 

Aber ich kann die Worte nicht finden, sie zu beschreiben. 
Susa war mir fremd und doch ganz nah. Wir kannten uns seit 2004 virtuell, wir haben unzählige Male miteinander gelacht. Wir haben geschrieben, getrunken, gesoffen, geliebt und gelitten. Sie hat mich zu einer besseren Trinkerin gemacht und ich bin mir sicher, dass dieser Satz ihr gefallen hätte: Mit Susa habe ich das Trinken gelernt. 

Wir haben uns im Weinforum des CKs kennengelernt. Dieses hat sie moderiert in ihrer unnachahmlichen Susa-Haltung. Keine Frage war ihr zu profan, niemand war ihr zu sehr Anfänger, die Liebe zum Wein und die Liebe zu den Menschen, das war ihre Haltung und wo gibt es das noch, einen Menschen mit so viel Haltung, wie Susa sie besaß

Seit 2004 verloren wir uns nie mehr aus den Augen. Selbst als ich 2009 mit diesem Blog anfing und gleichzeitig meinen Abschied vom CK auf Raten einläutete, las und schrieb ich dort im Weinforum immer noch mit. Viele aus diesem Kreis sind in diesem und in den folgenden Jahren unter die Blogger gegangen, auch Susa. Sie verkörperte die Blogsommeliere bei Hundertachtziggrad° und mein Gefühl war immer, dass sie den Laden dort zusammenhielt. Susa war der rote Faden dort, weil sie der rote Faden im Leben von so vielen Menschen war. 

Susa sammelte Speisekarten mit der falschen Schreibweise von Crème Brûlée und auch P. hat um das Jahr 2008 herum in meinem Auftrag eine für sie im Restaurant geklaut dauerhaft geliehen, die wir ihr im Anschluss kichernd wie zwei kleine Kinder in einen Briefumschlag steckten. Ich habe sie in all den Jahren immer als meine Weinfreundin bezeichnet und irgendwann wussten alle in meinem Freundeskreis, wen ich damit meinte. Ich schlug einen Wein vor den mir meine Weinfreundin empfohlen hat und alle wussten sofort - da kam Gutes. Ich erzählte dem Liebsten von meinen ersten Versuchen für Weinbeschreibungen, für das Anlegen einer vernünftigen Weinbevorratung, für die Wahl der richtigen Gläser - er mochte mit den Augen rollen ob meiner Vorschläge, wenn ich sie jedoch mit dem "empfohlen von meiner Weinfreundin"-Siegel versah, war umgehend Ruhe und Akzeptanz. 

Ich möchte euch von Susa erzählen

Aber ich kann die Worte nicht finden, sie zu beschreiben.
Ganz sicher hätte sie nicht so nach Worten ringen müssen wie ich. Susa war belesen und unfassbar klug. Sie liebte Musik, sie liebte den Tanz und das Ballet und ich danke ihr bis heute für einen der besten WdT-Beiträge zum Tod von Pina Bausch. Damals schrieb sie
Ich frage mich: Wie muss ein Wein sein, der einer solchen Person gerecht wird. Es muss ein Weißwein sein, der hell und klar ist, durch den man hindurchsehen kann, er muss eine gewisse Strenge und Kühle haben und doch auch Wärme ausstrahlen, er braucht eine zartgliedrige Eleganz und einen außergewöhnlichen Detailreichtum, man muss sich an ihn erinnern können, er muss alle Erwartungen erfüllen und zugleich übertreffen und auch wieder nicht. Die Aromen sollten von einer bitteren Süße sei, dabei frisch und mit überzeigender Mineralik. Was kann das sein? 
Was für ein Wein würde Susa gerecht? Welcher Wein hat denn schon Harmonie und Klugheit, Witz und Eleganz, Weisheit und Liebe? Ich würde mich so gerne betrinken heute Abend, ich möchte mich besaufen, besinnungslos - allein, nichts im Glas könnte ihr ebenbürtig sein, darauf würde ich wetten. Grossmutters verwettetes Gebiss - auch so eine Susa'sche Schöpfung, die ich nie wieder vergessen werde. 

Ich möchte euch von Susa erzählen

Aber ich kann die Worte nicht finden, sie zu beschreiben. 
Susa war meine Freundin, obwohl wir uns nie im Leben gesehen haben. Sie war so feinfühlig wie ich nur selten jemanden erlebt habe; selbst in meiner unmittelbaren Umgebung haben nur wenige Menschen 2013 so sehr wie sie gespürt, wie schlecht es mir ging. Sie schickte mir Päckchen zu Weihnachten, sie schickte gemeinsam mit ihrem Mann Päckchen an Paul O'Malley, meinen Kater. Sie schrieb mir zwischendurch kleine aufmunternde Nachrichten und ich war jedesmal gerührt, angefasst und verlegen zugleich, dass jemand so gut, so zugewandt zu mir sein konnte. 

Wenn ich die richtigen Worte finden würde, würde ich euch von Susa erzählen. Von dieser unfassbar weisen, belesenen, humorvollen, albernen, versöhnenden, scharfsinnigen Frau, die mein Leben schöner gemacht hat. Susa war mir wie ein Leuchtturm in dem Gewusel von Unwichtigkeiten, Prahlereien und Palawer. Susa war Klugheit und Liebe. Susa war und ist meine Freundin. Ich werde sie nie vergessen und ich bin unendlich dankbar dafür, dass ich sie kennenlernen durfte. Wenigstens ein bisschen. 

Farewell, most beloved Susa.





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Arthurs Tochter

Astrid Paul, die Autorin von Arthurs Tochter kocht., ist besessen vom Essen. Sie wacht manchmal nachts auf, weil ihr im Traum Essensdüfte durch die Nase ziehen. Dann steht sie auf und fängt an zu kochen. Oder zu schreiben. Vielleicht kocht sie auch nur, um darüber schreiben zu können, wer weiß das schon...

9 Kommentare :

  1. Dabei sagst Du alles. Farewell, indeed.

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  2. Da bleibt nichts hinzuzufügen. Danke, Astrid.

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  3. Wirklich berührend geschrieben.

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  4. Astrid, das ist ein sehr, sehr schöner "Nachruf".

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  5. ..wir kannten uns nur über offene Beiträge. Neben den typischen auch die zum Tagesgeschehen. .Die von Dir beschreibne Meinung kann ich darf ich teilen (Zitat: "Susa war belesen und unfassbar klug."). Ich meine, der Dein Beitrag ist ganz im Sinne der Susa. In ihrem letzen Blog fielen die Worte zu einem ihrer Lieblingslieder, Firebird:

    Zitat:
    "So jetzt geht es. "If I leave here tommorrow, would you still remember me? …" Was bleibt, wenn ich heute gehen muss? An was wird man sich erinnern? Susa jung und unbeschwert auf einem Segelboot auf dem Ijsselmeer? Susa unter Platanen in Südfrankreich oder Olivenbäumen in Griechenland, auf dem Highway One?

    Wahrscheinlich hat susa dabei immer ein Glas Wein in der Hand."

    Zitat Ende

    Ich lasse es mal so im Raum stehen...

    WN

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  6. Anonym9/14/2016

    Hallo Astrid.
    Ganz, ganz wundervolle Worte, so berührend da muss man nicht viel zu schreiben oder auskleidende Worte finde, suchen!
    Ganz viele liebe Grüße sendet dir,
    Jesse Gabriel

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  7. Deine Wort liebe Astrid, haben mich sehr berührt, denn auch ich bin sprachlos und geschockt.
    Susa war mir zuerst vom CK bekannt, seit 2002 habe ich dort gelesen und vor allem die Weinplaudereien verfolgt.Ich habe ihre Weinkenntnisse bewundert und viel dazu gelernt. Manche private mail wurde gewechselt mit Tipps für unsere Frankreich Urlaube.
    Im CK bin ich schon lange nicht mehr, aber einige Blogs der alten CK'ler verfolgte ich weiter. Deinen hier, den von Küchentanz und natürlich 180 ° und Susa. Ich hätte nie gedacht, dass es so etwas wie eine virtuelle Freundschaft gibt und bin sehr traurig, dass diese schöne Zeit nun zu Ende ist.
    Ulla (alias grappola)

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  8. Ich danke euch allen für eure lieben Worte! Ein Freund von mir hat auf Facebook geschrieben:

    Ich weiß einfach nicht, was ich dazu schreiben soll, ich kannte Susa fast nur virtuell und doch ist da reale Trauer um einen Freund. Kann man jemand virtuell so wahrnehmen dass es real ist, ja Susa war so.

    Das ist der Punkt. Susa hat einfach alle Grenzen durchdrungen, sogar die der Virtualität. So etwas vermögen wohl nur sehr wenige, sehr besondere Menschen. Ich habe die ganzen Tage so ein flaues Gefühl im Bauch, ich kann es kaum beschreiben. Sie hat eine Lücke gerissen, und der Platz, den sie eingenommen hatte, wird mir dadurch erst jetzt so richtig bewusst. Das ist sehr traurig.

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