Kurz erklärt: Was macht eigentlich ein Sommelier?

...außer, von morgens bis abends Wein zu trinken? 

Dieser Beitrag enthält Werbung und Alkohol.
Er ist daher für Jugendliche unter 16 Jahren nur in 
Begleitung ihrer Erziehungsberechtigten zu lesen. 

Sommeliers wie Sand am Meer

Meine besonders weinaffinen Leser mögen sich jetzt vielleicht lässig zurücklehnen, aber eine kleine, völlig unrepräsentative Umfrage unter den Bewohnern des beschaulichen Dorfes in den Weinbergen(!) hat Folgendes ergeben: Mehr als die Hälfte hat keine verdammte Ahnung. Die meisten wussten schon, irgendetwas mit Wein, aber genauer konnten es die wenigsten ausführen. Der kocht mit Wein, der schreibt Bücher über Wein, der ist Winzer, das ist ein Weinkellner (Ah! Sehr gut!) der macht, ach, ich... habe keine Ahnung. Vielleicht liegt es ein bisschen an der Vielzahl der Sommeliers aller Couleur, die sich mittlerweile tummeln. Da gibt es die Gewürzsommeliers (sic!), Fleischsommeliers, Biersommeliers, Wassersommeliers und wahrscheinlich steht irgendwo bereits ein veganer Karotten-Sommelier in den Startlöchern, der vom Terroir der Urmöhre schwärmt. Abgesehen von den Biersommeliers, die in der Regel studierte Ingenieure sind, muss ich sagen - der ganze Rest kann dem Sommelier nicht das Wasser reichen, selbst der Wassersommelier nicht; nicht, dass ich wüsste. Am Ende meiner Fortbildung zur Gewürzsommeliere wusste ich etwas mehr über Gewürze und Heilkräuter als zuvor - und ich weiß nun von meiner ausgeprägten Bitterschwäche sowie meinem weit über dem Durchschnitt liegenden Geruchssinn, der mich für eine ausgezeichnete Stellung in der Lebensmittel- und Duftindustrie prädestiniert - was wohl mit meinem fantastuösen Elefantengedächtnis zu tun hat, denn Duft ist in erster Linie Erinnerung. Aber habe ich nun ein Wissen über Gewürze wie ein Sommelier über Wein und verwandte Themen? Brauchen wir gar nicht drüber reden...
"Das sprachgeschichtliche Weg des Begriffes „Sommelier“ ist lang und gewunden. Im französischen Wort „Sommelier“ steckt „la somme“ (die Last). Heute noch erhalten in „bête de somme“ ( Lasttier). „Somme/Sommelier wurzeln sprachgeschichtlich in „sagma“ (Packesel, Lasttier). Definitiv taucht der „Sommelier“ erstmals Mitte des 13. Jahrhunderts auf und bezeichnet den, der Lasttiere (vor allem Packesel) führt. Ab dem 14. Jahrhundert stieg dieser „Traiber“ praktisch zum Lebensmitteloffizier auf, der im Heer für den Proviant zuständig war (Getränkedienst-habender). Im Jahr 1812 ist der Sommelier erstmals im heutigen, stark verengten Sinn registriert." (Quelle: Deutsche Sommelierunion )

Auf der Jahresversammlung der Deutschen Sommelierunion | Fotocredit Ralf Killian


Wie wird man Sommelier? 

Mit der Bezeichnung "Gewürzsommelier" habe ich von Anfang an offen gehadert, auch wenn ich mit großer Freude und Wissbegier am Lehrgang teilgenommen habe. Weil ich mit mir selbst so hadere, darf ich das mit den ganzen anderen "Seltsam"-Sommeliers auch, das gebieten meine langjährigen Freundschaften zu Sommeliers und die Hochachtung vor ihrem Können. Klassischerweise ist der Sommelier ein zuvor ausgebildeter Restaurantfachmann, er kann auch Koch sein, Hotelfachmann, Systemgastronom oder Ähnliches. Selbstverständlich sind andere Wege machbar, auch ein Schreiner könnte theoretisch eine Sommelierschule besuchen, dass sein Weg ungleich schwerer sein wird, können wir uns denken. In einem 2 jährigen berufsbegleitenden Lehrgang trichtern sich die zukünftigen Sommeliers literweise Wein und Wissen ein, wobei vom Wein das meiste wieder ausgespuckt wird - angeblich. Am Ende dieser Fortbildung, mit einer nicht geschützten Berufsbezeichnung als Sommelier in der Tasche, sind sie fit in allen Bereichen der gepflegten Trinkkultur. Ein an einer der deutschen Sommelierschulen, IHK-Akademien oder dem International Wineinstitute ausgebildeter Sommelier weiß am Ende nicht nur, einen deutschen von einem kalifornischen Riesling zu unterscheiden, er kann auch den Unterschied von Cognac und Weinbrand und Whiskey und Brandy erkennen - am Geruch wohlgemerkt, und die dazu passenden Zigarren empfehlen! Dazu nennt er noch den Lieblings-Gin von Queen Mum und weiß, dass sie sich mit diesem bereits zum Frühstück stärkte. Im Idealfall ist der Sommelier also auch noch ein eloquenter Plauderer. Leider wehren sich die IHKs standhaft gegen den Sommelier als Ausbildungsberuf, da im Rahmen der Ausbildung schon Jugendliche unter 18 in den Genuss von Alkohol kämen. Kommen sie sonst ja auch nicht, nirgendwo, oder habt ihr irgendwo schon einmal einen Jugendlichen mit Alkohol gesehen? Eben.

Auf der Jahresversammlung der Deutschen Sommelierunion | Fotocredit Ralf Killian


Ein Sommelier ist Betriebswirt, Gastgeber und Genussmanager

Die möglichen Arbeitsfelder eines Sommeliers sind vielfältig. Naheliegend ist die Tätigkeit in der Gastronomie, dort ist der Sommelier der feinfühlige Berater des Gastes. Neben seinem Wissen um die Weinwelt und die Weinkarte des Hauses, sowie den möglichen Kombinationen mit den angebotenen Speisen, benötigt er vor allem Fingerspitzengefühl, sowie eine große Portion Menschenkenntnis. Wer sitzt ihm dort am Tisch gegenüber, kann er in seiner Weinempfehlung die teuerste Flasche des Hauses raushauen? Bleibt er preislich im Mittelfeld und lässt sich unter Umständen den Umsatz des Jahres entgehen? Mir persönlich war  es immer am liebsten, wenn ich nach meinem Budget gefragt wurde, erstaunlicherweise machen das aber nur sehr wenige Sommeliers, mittlerweile bin ich ausreichend selbstbewusst, es meinem Berater bei Tisch zu Beginn selbst zu sagen. Außer an Tagen, an denen mir alles egal ist, aber die sind wirklich selten. Manche Sommeliers machen sich selbständig im Bereich der Weinberatung, andere arbeiten als Autoren, Journalisten oder Einkäufer eines großen Négociants.

Das richtige Dekantieren auf der Wettbewerbsbühne der Sommelier-Trophy 2015 | Fotocredit: Ralf Killian


Die Sommelier-Union Deutschland

"Ein Sommelier ist Genussmanager", sagt Bernd Glauben, Präsident der Sommelier-Union Deutschland. Diese Bezeichnung gefällt mir nicht so gut. Ein Manager ist heutzutage jeder, sei es für die Reinigung von Innenräumen oder die Programmierung von Manipulationssoftware. Ich bin Blogmanager, meine Tochter ist Graphikmanager und Arthur, ach nee, er ist ja ein echter. Der Begriff Manager ist also genauso inflationär wie XY-Sommelier. Auch deshalb ergänzt Glauben: Sommeliers sind Betriebswirte und Einkäufer, Lagerhalter, Weinkartengestalter und - das ist meine Interpretation - im Idealfall begnadete Gastwirte und Philanthropen.

Für den weltweiten Zusammenschluss der Sommeliers gibt es die Sommelier-Union, deren deutsche Sektion ca. 1000 Mitglieder hat und die seit 2011 zweijährlich den besten Sommelier Deutschlands kürt. Die Sommelier-Union Deutschland fördert seit 13 Jahren ihre talentiertesten Mitglieder mit Schulungen am Sommelier-College, dessen Referent seit 2014 Master Sommelier Frank Kämmer ist. "Die Geschmackswelt ist permanent in Bewegung: neue Anbaugebiete, neue Rebsorten und sich verändernde Ausbausstile auf der Weinseite, individuelle Kochstile und die Vielfalt des Angebotes an Produkten aus aller Welt auf der Küchenseite fordern vom Sommelier ein enormes Wissen, um die Harmonie zwischen Wein und Speisen herzustellen“, sagt Glauben, mit sichtlichem Stolz auf die jungen Talente der Union und deren Arbeit.

Mitglied werden kann jeder, der beruflich mit Wein zu tun hat, also auch Händler, Gastronomen etc. Im Halbfinale des diesjährigen Wettbewerbes stand beispielsweise Sebastian Georgi, schon zwei zweite Plätze in der Tasche und Inhaber des 485° in Köln, DER Pizza-place to be mit rund 700 Positionen auf der Weinkarte. Leider hat er es in diesem Jahr nicht unter die letzten 3 des Finales geschafft. Dort standen nach einem spannenden Halbentscheid noch folgende Sommeliers auf der Bühne:

Marc Almert, erst 23 Jahre alt, Sommelier im Hotel "Vier Jahreszeiten" am Jungfernstieg in Hamburg und die coolste Socke des Abends, so raunte es an unserem Tisch.

Marc Almert im Finale der Sommelier-Trophy 2015 auf Schloss Bensberg. Photocredit: Ralf Killian


Tommy Hergenhahn aus Münster, der 2013 den Titel als "Young Sommelier Deutschlands" erhielt und mittlerweile einen eigenen Weinladen hat, sowie in Westfalen auf eigenem Weingut Wein anbaut, im Rahmen des Finales auf der Bühne aber erstaunlich blass blieb.

Tommy Hergenhahn im Finale der Sommelier-Trophy 2015 auf Schloss Bensberg. Photocredit: Ralf Killian


Torsten Junker, der spätere Sieger der Trophy, sehr konzentriert, hochnervös und noch voller Anspannung, da stand sein Sieg schon fest und der Konfettiregen platzte auf die Finalisten herunter, sagte später, das müsse er erst einmal alles sacken lassen. Den Rotwein, den er und die Gäste der feierlichen Gala auf Schloss Bensberg im Glas hatten, und den zu erkennen Teil des Wettbewerbes war, entschlüsselten aber weder er noch seine Mitstreiter. Junker tippte auf das Wallis,  was ziemlich weit weg ist vom Weingut Shaw and Smith in Adelaide, Australien, von dem der Shiraz stammte. Aber einer der über 100 Gäste riss jubelnd die Arme nach oben, als das Ergebnis bekannt gegeben wurde, mindestens einer im Saal hat es also herausbekommen. Um der Wahrheit die Ehre zu geben - ich gehörte nicht dazu. Allerdings hatten es die Gäste unnötig schwer, wurde der Wein doch in leicht plumpen Gläsern ausgeschenkt. Bankett eben. Ein schlechtes Glas kann einen guten Wein ziemlich runterreißen und ich hoffe für die Finalisten, sie hatten nicht das gleiche Hindernis zu nehmen.

Torsten Junker im Finale der Sommelier-Trophy 2015 auf Schloss Bensberg. Photocredit: Ralf Killian


Auch eine fehlerhafte Weinkarte musste von den Finalisten auf der Bühne korrigiert werden, leider konnte ich sie nicht lesen, denn vor Eitelkeit habe ich meine Brille nicht getragen. Mindestens einen Fehler, der wiederum sämtlichen Finalisten entgangen ist, hätte ich sonst erkannt. Dass ein Weißburgunder aus Rheinhessen kein Grosses Gewächs sein kann, das weiß doch jedes Kind! :)

In der Mitte des Konfettiregens der strahlende Sieger der diesjährigen Sommelier-Trophy: Torsten Junker | Fotocredit: Ralf Killian

Der strahlende Sieger Torsten Junker wird 2017 Deutschland beim Wettbewerb "Bester Sommelier Europas" vertreten, sein Vorgänger Markus Berlinghof reist zur Weltmeisterschaft nach Amerika. Bis dahin muss viel getrunken, ausgespuckt und neu probiert werden; ich wünsche beiden hierzu viel Fortune. Junker plant zudem für 2016 sein Diplom als Master Sommelier am Court Of Masters, London. Wir werden noch viel hören von diesem ehrgeizigen Mann!

Disclosure

Ich danke Bernd Glauben, Präsident der Sommelier-Union Deutschland für die Einladung auf Schloss Bensberg und die Möglichkeit, das spannende Halbfinale und Finale der Sommelier-Trophy 2015 hautnah mitzuerleben.

Ich danke meinem Freund Peer F. Holm, Vizepräsident der Sommelier-Union Deutschland, für das ausgiebige Interview im Vorfeld und für seine stets geschätzten Tips zu Vinho Verde! Danke Peer, dass ich seit Jahren Deine Sonnensommeliere bin!

Alle inhaltlichen Fehler, die ich vielleicht beim Schreiben gemacht habe, sind auf meinem eigenen Mist gewachsen, nicht auf dem von Bernd Glauben oder Peer F. Holm. Fast überflüssig der Hinweis, dass es keinerlei Einflussnahme auf diesen Artikel gegeben hat.

www.sommelier-union.de/

Prost!


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Arthurs Tochter

Astrid Paul, die Autorin von Arthurs Tochter kocht., ist besessen vom Essen. Sie wacht manchmal nachts auf, weil ihr im Traum Essensdüfte durch die Nase ziehen. Dann steht sie auf und fängt an zu kochen. Oder zu schreiben. Vielleicht kocht sie auch nur, um darüber schreiben zu können, wer weiß das schon...

6 Kommentare :

  1. Die Tipps zum Vinho Verde hätte ich dann bitte auch gerne gelesen! ,-)

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  2. Das ist wirklich ein sehr interessantes Posting. Vielen Dank dafür...!

    LG

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  3. Nathalie10/16/2015

    Ich gehören zu denen, die das auch nur so ungefähr wussten, daher danke für diese schöne lustige Erklärung.

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  4. "Terroir der Urmöhre"
    Made. My. Day.

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  5. Gute Erklärung :-) und wie immer: Sehr unterhaltsam formuliert :-)

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  6. Schöner Artikel. Danke, Astrid, dass Du den klassischen Sommeliers einen solchen Beitrag gewidmet hast...Meine Ausbildung war allerdings berufsbegleitend nur ein knappes Jahr....das ist sportlich, denn was die meisten nicht wissen: man verhandelt in seinem Betrieb zwar eine Freistellung für die zwei Tage Schule, rennt dann am Abend aber doch meistens noch zur Schicht...und sollte doch besser lernen....Aber dennoch ist es am Ende toll,wenn man es geschafft hat. Juliane

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