Unterwegs mit einem Restauranttester, Teil I

Wie arbeitet eigentlich ein Restauranttester? Anonym? Alleine? Mit Notizbuch im Anschlag? Und wie explosiv würde es sein, zwischen Tester und Blogger? Ich war also flitzebogenmäßig gespannt auf mein Blind Date mit einem bekannten Restauranttester der Neuen Zürcher Zeitung, mit dem ich bei Nils Henkel im Restaurant Schwarzenstein verabredet war...

Restauranttester trifft auf Blogger – kann das ein harmonischer Abend werden? 

Der Tester steckt im Stau und so habe ich Zeit, die neue Wirkungsstätte von Nils Henkel ganz in Ruhe auf mich wirken zu lassen. Schön ist es geworden auf Burg Schwarzenstein, die ich das letzte Mal vor ca. zehn Jahren besucht habe. Licht und klar das Design, elegant und einladend gleichermaßen. Nils Henkel ist bei unserer Begrüßung so unprätentiös wie ich ihn seit Jahren kenne und schätze, Maître Marina Saldana Alonso so hinreißend, dass ich auf der Stelle ein kleines Bisschen verliebt bin. Das erste Glas Creation, eine Winzersekt-Cuvée aus Riesling und Spätburgunder von F. B. Schönleber, Rheingau genieße ich also wie den 3*Sterne-Ausblick vom Restaurant in die Weinberge die ersten Minuten alleine...

Es ist mein erstes vier-Augen-Treffen mit einem Restauranttester, der diese Tätigkeit zu seinem Beruf gemacht hat und ich kenne das ja: fast immer, wenn bei Presseterminen oder -reisen klassische Journalisten auf Blogger treffen, liegt diese Anspannung in der Luft, die sich manchmal zischend entlädt. Woran das liegt? Meine Theorie ist, dass man gerne ablehnt, wen man nicht kennt. Oder wen man für mögliche Konkurrenz hält; Frauen können das bekanntlich hervorragend mit Frauen. Journalisten können das mit Bloggern auch gut, dieses pauschale Ablehnen. Die haben keine Ahnung, die klauen uns die Jobs, die schreiben kenntnislos ins Internet, und immer wieder das Mantra: die haben keine Ahnung, die haben keine Ahnung, die haben keine Ahnung... und außerdem wollen sie nix bezahlen und überall eingeladen werden... Nun, vielleicht mache ich mir wirklich mal die Mühe, und schreibe für seriöse Journalisten und Blogger auf, wie seriöse Blogger und Journalisten arbeiten. Dass es nämlich auf beiden Feldern Unseriösität und eine Menge Kenntnisarmut gibt, ist eine Binse. Nur: das Gute taugt eben selten für eine Dreiviertelschlagzeile bei Facebook, ihr kennt das. Es gibt Blogger, die bekommen keinen Satz gerade hingeschrieben, und es gibt Journalisten, die können einen Feedreader nicht von einer Postwurfsendung unterscheiden.

Wenn aber nun ein Journalist und/oder Restauranttester auf mich trifft, kann es unmöglich zu einer angespannten Situation kommen, völlig ausgeschlossen ist das, weil ich ja, wie ihr wisst, erst einmal alle Menschen mag und für ihr Tun bewundere. Grundsätzlich. Dass jemand nicht von mir gemocht werden will, das muss er mir nämlich erst einmal beweisen. Und das, nachdem ich schon meine ganze Freude darüber, ihn kennenzulernen, über ihm ausgeschüttet habe. Und deswegen wusste ich bereits im Vorfeld, dass ich den Abend mit Wolfgang Faßbender genießen würde! Hinzukommt, dass ich ja gerne der dümmste Mensch im Raum bin, d. h., ich mag Unterhaltungen mit klugen Menschen und Fachleuten ihres Gebietes sehr, da sie mich lernen lassen, mir neue Sichtweisen eröffnen und ich im Idealfall etwas klüger wieder nachhause gehe.

Wolfgang Faßbender ist so ein Fachmann auf seinem Gebiet. Er schreibt unter anderem für Bellevue, das Lifestyle-Portal der Neuen Zürcher Zeitung. Seine fundierten Restaurantkritiken, die ich bereits vor unserem persönlichen Kennenlernen gerne und regelmäßig gelesen habe, finden sich ebendort in der Rubrik Nachgewürzt. Als Autor, Co-Autor und Herausgeber hat er rund 80 Bücher publiziert, er arbeitet als freier Journalist, schreibt für große Tages- und Wochenzeitungen und: ist Winzer. Gemeinsam mit zwei Freunden betreibt er das Weingut Mannwerk an der Mosel und erzeugt dort Rieslinge aus Steillagen.

Wie wird man eigentlich Restauranttester? 

Dass es sich dabei nun nicht um einen klassischen Ausbildungsberuf handelt, dürfte klar sein. Die Voraussetzungen können daher so vielfältig sein, wie der Mensch hinter dem Beruf und gute Tester haben wohl eher ihre Berufung zum Beruf gemacht. Dollase war zuvor Maler, Philosoph und, genau: Krautrocksänger. Zipprick ist auch Journalist, Siebeck war Maler und Pressezeichner. Wolfgang Faßbender ist gelernter Bibliothekar. Restauranttester sind also meistens keine Köche, auch wenn man gerne denkt, das wäre besonders naheliegend. Aber wie heißt es so schön: Ich muss kein Ei legen können um zu wissen, wie es zu schmecken hat. Wolfgang Faßbender hat mir verraten, bereits als kleiner Junge bei Restaurantbesuchen das Essen in Kategorien eingeteilt und auf einem selbst entworfenen Bogen bewertet zu haben. Was also bitte soll aus so einem Kind mal werden, wenn nicht Tester und Beschreiber vielfältiger Gourmandisen!

Arbeiten Restauranttester anonym? 

Nun, wenn man sie im Restaurant kennt, macht versuchte Anonymität natürlich keinen Sinn, und dass sie Ethan Hunt-like verkleidet durch die Gegend laufen, glaube ich nicht. Sind sie nicht persönlich bekannt, reservieren sie aber tatsächlich oft unter falschem Namen.

Arbeiten Restauranttester alleine?

Meistens, aber nicht immer; im heutigen Fall war schließlich ich mit dabei. Da können aber auch Frauen, Freunde, Freundinnen, Mütter oder Väter die Begleiter sein. Es wäre ja sonst auch ein gleichermaßen anstrengendes wie einsames Leben... Kreuz und quer durch Deutschland, Europa oder, so wie Wolfgang Faßbender, auch durch die ganze Welt zu reisen... ausgezeichnete Restaurants im Halbtagestakt "wegzuessen", jeden Geschmack zu behalten, sich eine Meinung zu bilden und diese noch am gleichen Tag in Texte zu gießen. Auf der anderen Seite halte ich wenig für so eindrucksvoll wie ein Essen, das man alleine genießt. Jeder Eindruck kann sich um ein Vielfaches verstärken, ist doch die Konzentration ganz bei den eigenen Sinnen. Bekanntermaßen gehe ich sehr gerne alleine essen; in meinem Bericht vom Besuch der Cordobar habe ich davon erzählt.

Erkennt man Restauranttester an ihrem Notizbuch? 

Möglicherweise. Wolfgang Faßbender hatte eines dabei, während meiner Anwesenheit aber nicht aufgeschlagen. Wie auch, er musste ja die ganze Zeit meine Neugier stillen! Ansonsten wird aber das Notizbuch natürlich benötigt; die gesammelten Eindrücke sind glücklichmachend im Idealfall  – vielfältig sind sie immer.

Die Frage aller Fragen: wer bezahlt das Essen? 

Der Tester selbst, bzw. die Redaktion, für die er schreibt. Ein Teil der Besuche findet auf Presseeinlandungen hin statt, das ist bei professionellen Testern und Bloggern gleich. Wolfgang Faßbender schreibt in seinem Artikel über unser Treffen, dass ca. 5 % seiner Restaurantbesuche auf Presseeinladungen hin erfolgen – diese Hürde könnten viele Blogger sicher locker reißen. Manche Blogger arbeiten möglicherweise anders, weil sie in den meisten Fällen keine Redaktion im Hintergrund haben, die sie für ihre Arbeit bezahlt. Dass eine Einladung und eine objektive Beurteilung sich grundsätzlich ausschließen, ist ein beständiges und gerne gestreutes Vorurteil. Das Argument,  es könne schwer fallen, sich von Einladungen im Bilden der eigenen Meinung nicht beeinflussen zu lassen, verstehe ich gut. Aber Professionalität zeichnet sich eben dadurch aus, das man sich dieser Beeinflussung zu entziehen vermag; das kann man oder man kann es nicht, allein mit dem Status Journalist oder Blogger hat das erst einmal nichts zu tun, sondern einzig mit dem Anspruch auf Professionalität.

Blogger vs. Restauranttester. Wirklich?

Erstens: Essen ist ein verbindendes Element. Und zweitens: die Grenzen zwischen klassischen Journalisten und Bloggern sind seit Jahren so durchlässig, dass eine Kategorisierung schwerfällt, immer öfter gar unmöglich wird. Es gibt bloggende Journalisten; Blogger, die gelernte Journalisten sind; Journalisten, die ausschließlich online arbeiten; Blogger, die unter anderem auch für Printmedien schreiben; etc. Ich bin stets gegen Pauschalisierungen wie "Die ..." und packe nichts und niemanden in Schubladen. Offenheit ist auch hier das Gebot der Stunde – für beide Seiten. Dann sind es am Ende nämlich gar nicht mehr zwei Seiten, sondern nur noch eine mit vielen verschiedenen Aussichtsmöglichkeiten. Pardauz, man stelle sich das mal vor! 

Serviceteil

Blogger vs. Restauranttester – Wolfgang Faßbenders Sicht auf unser Treffen: HIER

Nachgewürzt, die kulinarische Kolumne mit den kenntnisreichen Restaurantkritiken von Wolfgang Faßbender: HIER

NZZ Bellevue, das Magazin der Neuen Zürcher Zeitung mit feinen Kolumnen zu Mode, Lifestyle, Reisen und mehr: HIER

Wolfgang Faßbenders Restaurantkritik zu dem Besuch bei Nils Henkel: HIER

Mein Bericht vom Restaurantbesuch und dem vorzüglichen Essen bei Nils Henkel: HIER

Disclosure

Das Treffen und Essen erfolgte auf Einladung der Neuen Zürcher Zeitung. Eine ausufernde Berichterstattung dazu war nicht verabredet – aber wie könnte ich nicht! (Möglicherweise haben sie das in der Redaktion geahnt) 



  Genießt euren Tag!



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Arthurs Tochter

Astrid Paul, die Autorin von Arthurs Tochter kocht., ist besessen vom Essen. Sie wacht manchmal nachts auf, weil ihr im Traum Essensdüfte durch die Nase ziehen. Dann steht sie auf und fängt an zu kochen. Oder zu schreiben. Vielleicht kocht sie auch nur, um darüber schreiben zu können, wer weiß das schon...

12 Kommentare :

  1. Liebe Astrid, seit ich Wolfgang Faßbenders Beitrag zu Eurem Essen gelesen habe, spukt ein ganz anderer Gedanke in meinem Kopf herum: Liegt das ganze Getue zwischen "Wir hier oben, die da unten" vielleicht vielmehr an den tradierten Geschlechterrollen? Die meisten (etablierten) Restaurantkritiker sind männlich (warum eigentlich?), ein Großteil der Foodblogger weiblich. Ich habe selbst schon erlebt, wie männliche Foodblogger ganz anders wahrgenommen werden als weibliche. Gleichermaßen kann ich als ehemalige Redakteurin eines Technologiemagazins so einige Schoten erzählen über das verhalten jovialer männlicher Kollegen gegenüber den "Mädels". Oder ich könnte die junge Zahnärztin zitieren, die mir erzählte, sie werde IMMER für die Sprechstundenhilfe gehalten, die doch jetzt bitte mal den Herrn Doktor rufen solle... Natürlich sind auch Frauen untereinander manchmal ziemliche Biester (Du hast es ja erwähnt). Aber dieses "Schätzchen, rück' mal zur Seite und lass das die Männer machen!" kennen wir doch auch alle, oder? Ich freue mich jedenfalls auf Teil II Deines Berichts.

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    1. Yup. Kennen wir. Und ich habe sogar das Gefühl, es würde mehr in der letzten Zeit. Als würde ein Aufbäumen durch die Männerwelt gehen.
      Dass das eine mit dem anderen zusammenhängt, halte ich nach Deinen Zeilen für fast zwingend; vielen Dank für diese Sichtweise auf das Thema!
      Auch wenn es in diesem Fall eher mit klassischer Herablassung ohne Genderberücksichtigung zu tun hat ;)

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  2. Sehr guter Artikel und vielen Dank für den Einblick in dieses Thema!

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  3. Sehr gerne gelesen, so wie schon vorher Wolfgang Faßbenders Beitrag zu eurem Kennenlernen.
    Ich stellte auch immer wieder fest, dass Veranstaltungen mit vorrangig mehr Printjournalisten als Blogger sich die Journalisten sehr viel steifer und merkwürdig erhabener anfühlten. Dich in letzter Zeit scheint sich einiges gewandelt zu haben: Mir scheinen die Printjournalisten doch sehr interessiert an Bloggern. Vielleicht lag es an den Veranstaltungen oder an den Menschen selbst. Keine Ahnung, hab aber das Gefühl, dass es für beide Seiten in eine gute Richtung geht.

    Neben vielen neuen Lieblingssätzen aus deinem obigen Beitrag, gefällt mir der hier besonders: "Hinzukommt, dass ich ja gerne der dümmste Mensch im Raum bin, d. h., ich mag Unterhaltungen mit klugen Menschen und Fachleuten ihres Gebietes sehr, da sie mich lernen lassen, mir neue Sichtweisen eröffnen und ich im Idealfall etwas klüger wieder nachhause gehe." Genau so habe ich es auch am liebsten. Ich mag es sehr und lerne wissbegierig und gerne von den Klügeren.

    Liebe Grüße, Franzi

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    1. Wie schön und produktiv könnte für uns alle die Arbeit sein, wenn wir öfter akzeptieren würden, dass die MÖGLICHKEIT BESTEHT, dass eine andere Meinung oder Ansicht oder ein anderes Wissen wichtig sein könnte ;)

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  4. Ich mag diesen Satz auch, klüger wieder nach Hause gehen :) das ist eine gute Einstellung. Auf Burg Schwarzenstein waren wir auch mal zu einer sehr schönen Firmenfeier, mir hat es dort auch sehr gut gefallen :)

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    1. Es ist jetzt noch ein bisschen schöner geworden, ein Besuch lohnt sich! Und es gibt ja noch 2 andere Restaurants außer dem von Nils Henkel, die etwas weniger preisintensiv sind.

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    2. Wir waren gerade vor zwei Jahren, hat sich seitdem noch mal was geändert?

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    3. Ja, es wurde mit Nils Henkel noch eine ganz Menge umgebaut, bzw. umgestaltet.
      Kennst Du bereits den Grill-Room? Das ehemalige Gourmetrestaurant wurde praktisch zweigeteilt.

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  5. "Hinzukommt, dass ich ja gerne der dümmste Mensch im Raum bin, d. h., ich mag Unterhaltungen mit klugen Menschen und Fachleuten ihres Gebietes sehr, da sie mich lernen lassen, mir neue Sichtweisen eröffnen und ich im Idealfall etwas klüger wieder nachhause gehe." Dieser Satz wird mein neues Mantra! Vielen Dank dafür, liebe Astrid!

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