Das kleine Küchenkabinett von Jörg Zipprick {Rezension /Buchvorstellung}

"Kochen ist das Verzögern von  Verwesungsungsprozessen" (Harold McGee)


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Heute startet die von mir ins virtuelle Leben gerufene Blogger-Themenwoche "Jeden Tag ein Buch". Da kann ich selbst natürlich am ersten Tag nicht nicht dabei sein! Und meiner selbstgemachten langen Leine folgend, stelle ich Dir heute auch kein Kochbuch vor, ja eigentlich, würde mancher sagen, ist es noch nicht einmal ein richtiges Buch. Eher ein Büchlein, ein Brevier vielleicht, im aller weitesten Sinne. Dazu kommt noch: Es gilt als vergriffen, ausgelistet, nicht mehr lieferbar, einfach weg. Zumindest wenn Du den Verlag fragen würdest. Natürlich kannst Du es noch kaufen, im modernen Antiquariat, bei verschiedenen Anbietern im Internet etc. Die Preisbindung ist aufgehoben, es kann kosten, was es will und so ein Buch zu besprechen, wird von Verlagen nicht gerne gesehen. Die stöhnen dann, und sagen, bitte nicht, es ist doch nicht mehr lieferbar, nehmen Sie doch was Aktuelles, Frau Paul, bitteschön. Aber Frau Paul mag nicht, nicht heute.

Meine Kochbücher stehen und liegen dicht an dicht gepresst in einem Regal (bis gestern, da brachen mir zwei Fächer zusammen und jetzt liegen große Stapel auf dem Boden), in einem anderen stehen die Genussbücher. Gemeinsam mit Weinlexika, Titeln wie dem Lexikon der populären Ernährungsirrtümer von Udo PollmerRestaurantführern, alten Ausgaben des Feinschmeckers und dessen "Schwesterzeitung", dem eingestampfen Weingourmet, der geliebten Effilee und vielen anderen. Und mittendrin etwas ganz kleines, dünnes, was ich immer wieder herausziehe und immer wieder durchblättere und immer wieder lese.

Jörg Zipprick gehört zu den bekanntesten Restaurantkritikern Europas, er hat lange für einen populären Restaurantführer gearbeitet und über seine Erlebnisse in dieser Zeit veröffentlichte er 2011 im Eichborn-Verlag das Buch In Teufels Küche: Ein Restaurantkritiker packt aus. Ein Buch, das dem Leser das größte Vergnügen bereitet, in den beschriebenen Köchen und Restaurantbesitzern aber wohl eher Mordgelüste weckt. Nicht umsonst nennt man ihn auch den Schlächter der Köche. Im Kleinen Küchenkabinett aber ist er ganz handzahm. Auf 176 Seiten erzählt er Wissenswertes über die Hochküche, ihre Entstehung und ihren Anspruch, hohes Kulturgut zu sein.

Er beginnt mit einigen wenigen Küchentricks von Profis, wie z. B. Rotbarben nicht vollends von ihren Innereien zu befreien, sondern vor der Garung die Leber wieder hineinzulegen. Das beschere dem Fisch mehr Aroma. Schnell landen die Leser schon auf Seite 14 im humorvollen Kapitel "Die kuriose Küchengeschichte", die lt. Zipprick bereits 400000 v. Chr. begann, ab dieser Zeit vefügte der Mensch über Feuer, auch wenn er es noch nicht selbst entzünden konnte. 803 n. Chr. wird der Stiftskeller St. Peter in Salzburg erstmals urkundlich erwähnt; es ist die älteste noch existierende Gaststätte Europas!
Das Buch ist gespickt mit Anekdoten berühmter Köche und Restaurantkritiker und in seiner Mitte findet sich ein "Stammbaum der Köche", der von Edouard Weber, dem Koch des Zaren und der Rothschilds bis zu Philippe Braun, L'Atelier de Joel Robuchon, Paris, reicht und klar aufschlüsselt, wer von wem gelernt hat, wer Mentor und wer Protegé war und ist. Auch die berühmten kochenden Autodidakten vergisst er nicht, so steht zu lesen, dass Heston Blumenthal zuvor Verkäufer von Büromaterial war. Zipprick erzählt von "Küchenchefs, die ihre Sterne zurückgaben" samt deren Begründungen und veröffentlicht die Kernaussagen eines berühmten Interviews, das Pascal Rémy, ehemaliger Tester des Michelin, dem Magazin Figaro gab.
Er listet Zutaten für den klassischen Giftmord genau so lässig wie Originalzitate zum Essen & Trinken aus alten James Bond Filmen und schließt das große Lesevergnügen mit dem letzten Menü auf der Titanic. Wer dieses Buch nicht mag, nicht amüsant findet, nicht immer wieder zur Hand nimmt um kreuz und quer zu lesen, dem ist nicht zu helfen. Aber solche Menschen lesen sicher auch diesen Blog nicht.


  Genießt euren Tag!                                                                                                                                            

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Arthurs Tochter

Astrid Paul, die Autorin von Arthurs Tochter kocht., ist besessen vom Essen. Sie wacht manchmal nachts auf, weil ihr im Traum Essensdüfte durch die Nase ziehen. Dann steht sie auf und fängt an zu kochen. Oder zu schreiben. Vielleicht kocht sie auch nur, um darüber schreiben zu können, wer weiß das schon...

6 Kommentare :

  1. Schön, dass auch Du nicht mit einem "schnöden Kochbuch" startest. Obwohl ich mich auf viele tolle Rezensionen freue, finde ich gerade die etwas weiter gefassten "Genussbücher" toll. Das Brevier liest sich klasse. Spätestens mit "James Bond" hast Du mich gekriegt! Ob der Verlag bei ausreichend Resonanz vielleicht eine Neuauflage erwägt?

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  2. Das klingt nach einem tollen Buch!

    Liebe Verlage, wie wäre es denn mal mit einer Neuauflage? Hehe!

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  3. Bestellt!!! Ich ahne es, diese Woche wird mich in den Ruin treiben... :D

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  4. Anonym7/09/2013

    Liebe Astrid,
    danke für den tollen Tip! Ich habe mir im Urlaub "Teufels Küche" zur Brust geführt und war einigermaßen erschüttert. Dass Du das Buch erwähnst (und auch den Autor) ehrt Dich in meinen Augen sehr, weil z. B. Mr. Blumenthal ja ziemlich sein Fett weg gekriegt hat! Wie wäre es mal mit einer Rezension dieses Titels?

    lg Reinhold

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  5. Lieber Reinhold, damit liebäugle ich ebenfalls. Allerdings müsste ich es noch ein weiteres mal gründlich Lesen, das erste mal ist jetzt ca. 2 Jahre her, und dafür fehlt mir ein wenig die Zeit. Aber es steht auf der Liste! :)
    Es freut mich sehr, dass ich Dir damit einen Tip geben konnte und es Dich genau so "gefangen" nahm, wie mich.

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  6. Anonym7/15/2013

    Danke, Astrid, für Deine Antwort! Das besagte Buch birgt ja einigen Zündstoff und möglicherweise macht man sich mit einer kritischen Besprechung keine Freunde...
    Aber für ein offenes Wort bist du ja bekannt, was sicher viele Deiner Fans, und auch ich, an Dir schätzen!
    Du wirst schon die richtige Form finden!
    Gruß Reinhold

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Der einfacheren Lesbarkeit wegen, verwende ich in diesem Blog oft das generische Femininum. Es sind stets alle mitgemeint.