Steckrübe sous vide gegart – so wird die Arme-Leute-Rübe zu einer wahren Geschmacksbombe unter den Wintergemüsen. Thymian und Nougat geben ihr anschließend den letzten Kick! Als Beilage: Ochsenschwanzravioli

Die Steckrübe – immer noch ein Arme-Leute-Essen?
Abgesehen davon, dass das sous vide-Garen ungemein praktisch ist, ist es für mich immer wieder ein probates Mittel, um aus bekannten Lebensmitteln mehr Geschmack herauszukitzeln. Nun ist die Steckrübe per se kein leuchtender Stern am Gemüsehimmel; wenn man ihre Geschichte betrachtet, wird jedoch schnell klar, warum. Bei Wikipedia steht dazu:In Notzeiten waren Steckrüben mehrfach die letzte Nahrungsreserve für einen Großteil der Bevölkerung. In die Geschichte eingegangen ist der so genannte deutsche Steckrübenwinter während des Ersten Weltkriegs 1916/17 („Früh Kohlrübensuppe, mittags Koteletts von Kohlrüben, abends Kuchen von Kohlrüben.“). Da die Kartoffelernte im Herbst 1916 eine Missernte war, wurden Steckrüben als Ersatz herangezogen. Sie waren vorher hauptsächlich als Schweinefutter angebaut worden. Da praktisch alle Lebensmittel in Deutschland knapp waren, dienten Steckrüben als Basis für die verschiedensten Gerichte, 1917 erschienen eigens Steckrüben-Kochbücher. So gab es Rezepte für Steckrüben-Marmelade, Aufläufe, Suppen, Sauerkraut-Ersatz aus Steckrüben und sogar Steckrüben-Kaffee. Das Rezept lautete: „Steckrüben raspeln und im Ofen trocknen. Die getrockneten Rübenschnitzel werden dann durch eine Kaffeemühle gedreht. Wie normales Kaffeemehl behandeln.“ Mit Bezeichnungen wie „Ostpreußische Ananas“ sollte dieses Gemüse der Bevölkerung schmackhaft gemacht werden. Davon abgeleitet wurden auch Bezeichnungen wie „Mecklenburgische Ananas“ üblich.Also bitte, kein Wunder, oder? Mit so einem Druck auf die Bevölkerung hat man als Gemüse schnell verkackt. Jetzt kann aber die arme Steckrübe nichts dafür, dass sie der Bevölkerung untergebuttert, ach nee, Butter gab's ja auch nicht, aufgezwängt wurde, und seitdem als "Arme Leute-Essen" gilt. Ich mag ihren süßlichen, an Kohlrabi erinnernden, Kohlgeschmack sehr gerne; im Prinzip könnt ihr mit einer Steckrübe also alles anstellen, was ihr schon mit Kohlrabi gemacht habt. Ihr habt doch schon etwas mit Kohlrabi gemacht, oder? Ihr könnt sie schälen, kleinschneiden und dämpfen oder kochen. Ihr könnt sie füllen, es dauert auch nur ganz unwesentlich länger als bei Kohlrabi, bis sie gar ist ;) und natürlich könnt ihr, wie aus Kohlrabi und Sellerie, kleine Gemüseschnitzel aus ihr backen. Ächz. Also könnt ihr. Müsst ihr nicht. Gart sie lieber so, wie ich es euch heute vorstelle. Alle Angaben für 4 Personen:
Da Steckrüben in der Bevölkerung trotz der schlechten Ernährungslage unbeliebt waren, hatte die Reichskartoffelstelle am Ende des Winters 1917 noch etwa 80 Millionen Zentner Steckrüben übrig, die nicht verteilt worden waren. Sie wurden zu Dörrgemüse und Rübenmehl weiterverarbeitet. Dieses Mehl wurde dann mit Kartoffelmehl und mit Maggi-Suppenwürfeln gemischt und als „Vollkost“ in den Handel gebracht, wobei jede Familie eine gewisse Menge abnehmen musste, um andere Lebensmittel kaufen zu können.
Steckrübe sous vide
- 1 Steckrübe
- 1 EL Olivenöl
- 1 Prise Salz
- 1/2 TL Honig
- 1 Prise Jahreszeitenpfeffer (s. Serviceteil)
- 1 kleines Lorbeerblatt
- 1 EL trockener Weißwein
Alternative zu sous vide
Solltet ihr nun gerade kein sous vide-Gerät zur Verfügung haben, gart ihr den Vakuumbeutel in einem Topf mit Wasser und stellt diesen bei 95°C in den Backofen. Eventuell müsst ihr ein bisschen mit der Temperatur spielen, bis das Wasser im Topf mindestens 85° C hat. Die Steckrübe nimmt euch 2 oder 3 Grad mehr nicht übel, sie ist nicht so sensibel wie ein Stück Fleisch.
Als Beilage zur sous vide gegarten Steckrübe passen vorzüglich Ochsenschwanzravioli. Wobei Ochsenschwanzravioli sich schließlich zu fast allem als Beilage eignen. Gemüse, Pasta und ja, warum nicht, wahrscheinlich auch zu einem Steak. ;) Den Ravioliteig verlinke ich euch unten im Serviceteil, hier kommt das Rezept für die Füllung:
Geschmorter Ochsenschwanz als Raviolifüllung
- 1 Ochsenschwanz (mindestens 1 kg), vom Metzger in Stücke teilen lassen
- Salz und Pfeffer
- Olivenöl zum Braten
- 1 EL Weizenmehl Typ 405
- 2 Karotten, geschält und in Scheiben geschnitten
- 1 Stange Lauch, geputzt und in Scheiben geschnitten
- ¼ Knolle Sellerie, geputzt und gewürfelt
- ½ Gemüsezwiebel mit Schale
- 10 ml helle Sojasauce
- 10 ml Balsamico, nicht über 6% Säure
- 500 ml trockener Rotwein
- 750 ml Kalbsfond
- 1 Lorbeerblatt
- 2 Körner Piment
- 1 Spitze Sternanis
- 2 Zimtblüten
- 50 g eiskalte Butter in Stücken
- etwas Speisestärke nach Bedarf
Das Fleisch aus dem Bräter nehmen und vorübergehend warmstellen. Weiteres Olivenöl zum Bratenansatz geben, das Wurzelgemüse dazugeben und leicht anbraten. Die Fleischstücke wieder dazugeben. Mit Sojasauce und Balsamico ablöschen, einkochen lassen. In 2 – 3 Etappen mit dem Rotwein ablöschen, dazwischen immer wieder einreduzieren und am Ende mit dem Kalbsfond aufgießen. Die Gewürze dazugeben und den Bräter bei 130°C für 2,5 Stunden in den Ofen stellen.
Die Ochsenschwanzstücke aus dem Bratensud nehmen, diesen durch ein Sieb gießen und auffangen, anschließend entfetten. Wenn das Fleisch etwas abgekühlt ist, von den Knochen fieseln. Tip: Das geht einfacher, wenn das Fleisch noch lauwarm ist. Das Ochsenschwanzfleisch anschließend mit einem großen Messer sehr fein hacken.
Den entfetteten Bratensud um ca. ⅓ einkochen und bei mäßiger Hitze die kalten Butterstücke mit einem Schneebesen einmontieren. Sollte damit noch nicht ausreichend Bindung erzielt worden sein, zusätzlich etwas aufgelöste Speisestärke einrühren, so dass eine sämige Sauce entsteht. Eventuell nachwürzen. 2 – 3 EL der Sauce an das gehackte Fleisch geben und damit zu einer relativ kompakten Farce rühren. Die Ravioli mit der Fleischfarce füllen.
Die fertigen Ravioli ca. 4 Minuten in simmerndem Salzwasser garziehen lassen. Mit einem Schaumlöffel herausnehmen und auf Küchenkrepp abtropfen lassen.
Thymian-Nougat-Sahne
Thymian ist ein wunderbarer Partner für Schokolade! Um die beiden Aromen hier zu verbinden, aber dennoch eine weiße Komponente zu erhalten, habe ich mit weißem Nougat und Sahne experimentiert. Auf die Ausgangsidee hat mich (mal wieder!) das kreuz & quer-Lesen im Geschmacksthesaurus gebracht, von dem ich euch schon so oft vorgeschwärmt habe. Thomas Keller kombiniert Thymianeis, auf das er ein Schokoladentäfelchen legt, dieses mit Maldon bestreut und dann wird von oben warmes Olivenöl gegossen, das ein Loch in die Schokolade reißt und das Eis freigibt. Himmlisch? Himmlisch! Bei mir wurde dann Folgendes daraus:
- 200 g Biosahne (ohne Carragen!), so fett wie möglich
- 1 Stück weißer Nougat, ich habe nicht gewogen, es hatte die Größe eines Schokoladenstückes aus einer handelsüblichen Schokoladentafel. Bitte keine weiße Schokolade als Ersatz verwenden!
- 1/2 TL getrockneter Thymian, gerebelt, beste Qualität! Keine Scheu vor getrocknetem Thymian, er besitzt oft ein Vielfaches vom Aroma eines frischen!
- 1 Prise Salz
Die Sahne aufschlagen, und ja, am besten mit der Hand. Sie wird am Ende wieder flüssig, aber es geht darum, vorher so viel Luft wie möglich in sie hineinzubekommen und das geht mit einem Schneebesen und aus dem Handgelenk besser als mit der Maschine. Die geschlagene Sahne in einen Topf füllen, den Thymian zwischen den Handflächen verreiben und dazugeben, den Nougat auf der Microplane fein hineinreiben. Habt ihr Nougat mit Mandeln oder Haselnüssen, diese aussparen! Die Sahne erwärmen, den Nougat darin schmelzen lassen und den Thymian - wenn man möchte - hinterher wieder heraussieben. Vor dem Servieren die Thymian-Nougat-Sahne noch einmal kräftig aufschlagen.
Die Steckrübenwürfel samt Sud auf den Teller geben, die Ochsenschwanzravioli hinzufügen und die Thymian-Nougat-Sahne obenauftropfen. Probieren, die Augen schließen und jetzt alle: Hmmmmmmmmmhhhhhhhh!
Serviceteil
- Der Geschmacksthesaurus* Gäbe es nur ein kulinarisches Buch auf der Welt, es müsste dieses sein!
Mittlerweile auch als günstiges Taschenbuch erhältlich
- Jahreszeitenpfeffer* ist eine Mischung aus Pfeffer (piper nigrum) in seinen verschiedenen Vegetations- und Verarbeitungsstufen. Also 5 x die gleiche Pflanze - 5 x anders. Grob gestoßener grüner Pfeffer, schwarzer Pfeffer, weißer Pfeffer und roter Pfeffer und Tellicherrypfeffer
Schmeckt grasig, grün, fruchtig, nussig, scharf. Nicht in die Mühle geben, bei Bedarf im Mörser verfeinern
- Hier habe ich noch ein gutes Hilfsmittel für euch, auf dem ich meine Ravioli trockne oder auch während der Herstellung zwischenlagere, damit sie nicht zusammenkleben: Die perfekte Hilfe* zum Trocknen und Zwischenlagern für Ravioli und Pasta!
- Ihr könnt es euch im Einsatz unter anderem in diesem Beitrag ansehen.

*Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Verkäufen. Dies hat keine Auswirkung auf den Preis der Ware!
Das mit dme Steckrübenkaffee....ich hab grade gestern in einem Kochbuch gelesen, dass das auf in der Schweiz auf den Almen auch mit Karotten gemacht wurde. Rueblikaffee....dann lieber gar keinen ;-)
AntwortenLöschen....und ansonsten mach nur so weiter, dann muss ich mir zumindest ein Vakumiergerät kaufen.
Hmmmm....
AntwortenLöschenWas für ein Vakuumiergerät benutzt du? Ich glaube, ich muss endlich eins anschaffen... ;-)
Bah. Appetit. Fiesester Art. Abschlecken des Bildschirms führte zu nix. Außer zu abschätzigen Blicken des Kollegen von gegenüber. Wer macht mir jetzt Ravioli?
AntwortenLöschenHungrig,
Conny
Liebe Susanne,
AntwortenLöschenwenigstens ein mittelteures Vakuumiergerät sollte wirklich nicht fehlen ;) ;) ;)
Meine Mutter hat früher während ihrer Fastenzeiten (jetzt weißt Du, woher ich das habe) immer Lindes-Kaffee getrunken, der wird aus Getreide gemacht. Frucht_bar!
Liebe Kochpoetin,
AntwortenLöschenich habe einen Kammervakuumierer von Komet. Günstiger und über Jahre damit auch gut gefahren bin ich mit einem Vakuumierer von Gastroback. Da muss man halt immer tricksen, wenn man Flüssigkeiten vakuumiert...
Liebe Conny,
AntwortenLöschenmich dünkt, Du brauchst ein Einzelbüro! :)
Ich muss dringend mal was mit Ochsenschwanz zubereiten. Schon alleine aus SEO-Gesichtspunkten. :) Aber zum Sous-Vide bekommst Du mich in diesem Leben nicht mehr. Ich weiß ja nicht, ob man in Rheinhessen auch das Wort "Grafaaahme" (lautmalerisch geschrieben)kennt...
AntwortenLöschenHallo!
AntwortenLöschenHabe einen Ersatz für Sauerkraut gesucht, der von mir (Quecksilbervergiftung) zwecks Entgiftung zu den Mahlzeiten eingenommen wurde, nun aber dank Histaminintoleranz außer Reichweite geschwommen ist. Bin sprachlos! Der Dank für meinen Kommentar unten kann ich jedoch nicht so vorbeisausen lassen: super, vielen Dank!